Der FC Barcelona hat sich von seinem kleinen Durchhänger Mitte April und dem Champions League Ausscheiden gegen Atletico Madrid erholt und ist auf bestem Weg, am Samstag die Titelverteidigung in der spanischen Meisterschaft klar zu machen. Nur noch einen Sieg beim FC Granada brauchen Messi, Iniesta & Co. noch. Im Tor stehen wird dabei Marc-André Ter Stegen, der von einer Verletzung seines Konkurrenten Claudio Bravo profitiert. Der Deutsche, dem bei Barca die Zukunft gehört, hatte sich diese Saison lautstark über zu wenige Einsatzzeiten, worauf hin wild über seinen Wechsel spekuliert wurde. Bleibt er jetzt doch?
Mitte April hat es den FC Barcelona erwischt. Der Triple-Sieger der vergangenen Saison schien eigentlich auf dem besten Weg, dieses Kunststück zu wiederholen, hatte gerade den FC Arsenal ohne größere Probleme aus dem Achtelfinale der Champions League gekegelt, in der Liga stolze neun Punkte Vorsprung auf Atletico Madrid und die Qualifikation fürs Finale der Copa Del Rey gegen Atletic Bilbao auch schon in der Tasche.
Barcelonas Minikrise: Clasico-Niederlage, Champions-League-Aus im Viertelfinale
Dann kam der Clásico gegen Real Madrid und eine völlig unerwartete Heimniederlage: Trotz 1:0-Führung und Überzahl in der Schlussphase verlor man noch mit 1:2 durch Tore von Karim Benzema und Cristiano Ronaldo. Ein kleiner Ausrutscher, der bei weiterhin sechs Punkten Vorsprung nicht einmal den Ausgang der Meisterschaft beeinflussen würde? Weit gefehlt, denn was folgte, war der Inbegriff einer Krise. Das Viertelfinal-Hinspiel gegen Atletico Madrid gewann man zwar knapp mit 2:1, doch in der Liga setzte es Pleiten bei Real Sociedad (0:1) und gegen den FC Valencia (1:2). Der ganze schöne Vorsprung war verspielt und Atletico plötzlich gleichauf, einen Punkt dahinter Real Madrid. Dazu gab es auch noch das Ausscheiden aus der Champions League gegen Atletico (0:2).
Der Trend sprach also ganz klar gegen die Katalanen, doch die schüttelten sich einmal und meldeten sich in den folgenden vier Ligapartien mit vier Siegen und 21:0 Toren zurück. Am vorletzten Spieltag verabschiedete sich mit Atletico schon der erste Konkurrent aus dem Titelrennen, nur Real Madrid kann noch dazwischenfunken: Die Königlichen liegen immer noch einen Punkt hinter Barca. Die Blaugrana hat es aber selbst in der Hand, braucht nur ihr eigenes Spiel in Granada zu gewinnen. Dass sich das Starensemble diese Chance nehmen lässt, glaubt keiner mehr: Die Quote auf eine Meisterschaft von Real Madrid liegt vor dem letzten Spiel bei 1:7, wer auf Barcelona wetten will bekommt gerade einmal das 1,08-fache seines Einsatzes zurück.
Ter Stegen profitiert von Bravos Verletzung – Bleibt er in Barcelona?
Dass dabei voraussichtlich auch ein deutscher Nationalspieler mitwirken darf, kommt etwas überraschend. Denn Torhüter Marc-André Ter Stegen ist bei Barcelona eigentlich nur für die Champions League und den Pokal vorgesehen, in der Liga darf normalerweise sein Konkurrent Claudio Bravo ran. Der hat sich aber im Spiel gegen Real Betis Sevilla eine Wadenverletzung zugezogen und musste in der 88. Minute gegen den Ex-Gladbacher ausgewechselt werden. Auch im Derby gegen Espanyol (5:0) stand Ter Stegen deshalb im Tor. Dass Bravo für das letzte Spiel ins Gehäuse zurückkehrt, ist unwahrscheinlich, und so darf Ter Stegen am Samstag wohl mithelfen, die Trophäe wieder nach Barcelona zu holen. Im Pokalfinale gegen Bilbao (21. Mai) darf er ohnehin ran, und so könnte es für den Nationalkeeper mit dem Double doch noch einen versöhnlichen Saisonabschluss geben.
Ter Stegen kam 2014 für eine Ablösesumme von 20 Millionen Euro von seinem Heimatverein Borussia Mönchengladbach zum FC Barcelona und gewann gleich in seiner ersten Saison das Triple mit den Katalanen. Sowohl 2014/15 als auch 2015/16 setzte sein Trainer Luis Enrique auf Konkurrent Claudio Bravo als Stammtorhüter und brachte Ter Stegen immer „nur“ in der Champions League und dem spanischen Pokal.
Ter Stegen, in der letzten Champions-League-Saison noch strahlender Held des Triplegewinns, der im Halbfinale gegen Bayern mit klasse Paraden einen wichtigen Anteil am Triumph geleistet hatte, hatte in dieser Saison überraschend deutlich seinen Unmut über wenige Spielzeiten zum Ausdruck gebracht. Noch vor Barcas Krise im März hatte Ter Stegen verstärkt Aussagen getätigt, dass er mehr spielen und den nächsten Schritt machen will. Die Alarmglocken bei den Verantwortlichen der Katalanen läuteten, schließlich soll dem Deutschen die Zukunft im Barca-Tor gehören – wenn es nach dem Verein geht, gerne auch die nächsten zehn Jahre. Ter Stegen sagte dazu: „Die Zukunft ist weit weg. Sie interessiert mich nicht.“ Die internationale Presse, besonders die englische, spekulierte daraufhin wild über seinen bevorstehenden Wechsel.
„Es ist ein wunderschöner Ort, um zu leben“ – Doch Ter Stegen will in allen Wettbewerben ran
Letzte Woche kam dann das Bekenntnis über die Club-Homepage, die Ter Stegen so zitierte: „Es ist ein wunderschöner Ort, um zu leben. Ich fühle mich hier wohl und will bei diesem Club bleiben und das schöne Leben fortsetzen, das ich habe.“ Ein Wechsel dürfte damit erst einmal vom Tisch sein. Ter Stegens Ziel ist dennoch klar: Er will in allen Wettbewerben spielen, nicht nur in den Pokalen. Daran dürfte sich auch in der kommenden Saison nichts ändern – gegen Granada und Bilbao hat der Nationaltorwart die Chance, seinen Trainer Luis Enrique dazu zu bewegen, sein Job-Sharing auf der Torhüterposition zu überdenken.
Bei der EM in Frankreich wird Ter Stegen wohl keine zusätzlichen Argumente sammeln können, auch wenn sein Name bei Jogi Löws Kadernominierung am Dienstag mit großer Wahrscheinlichkeit fallen wird. An Manuel Neuer kommt keiner vorbei, auch nicht Ter Stegen. Sein Barca-Konkurrent Claudio Bravo dagegen kann mit Einsätzen für Chile bei der Copa America in den USA die Sommerpause nutzen. Schon in der letzten Auflage 2015 wurde er als bester Torhüter des Turniers ausgezeichnet und konnte am Ende sogar die Trophäe in den Himmel stemmen. Chile besiegte das favorisierte Argentinien im Finale mit 4:1 im Elfmeterschießen, Bravo hielt einen argentinischen Elfer.
Obwohl es unwahrscheinlich ist, dass Enrique seine Rotation überdenkt, sollte sich Ter Stegen gut überlegen, ob er nicht doch in Barcelona bleibt. Immerhin ist Konkurrent Bravo schon 33 Jahre alt und wird nicht mehr lange spielen. Mit ein wenig Geduld könnte dem Nationaltorwart in Barcelona eine große Zukunft bevorstehen. Sollte er aber wechseln wollen, gibt es für einen wie ihn sicherlich genug lukrative Angebote.
Quellen:
- Francesc Juan – 380234548 / Shutterstock.com
- Marcos Mesa Sam Wordley – 343584962 / Shutterstock.com
- Mitch Gunn – 381275896 / Shutterstock.com
Jochen Klein
Latest posts by Jochen Klein (see all)
- Chemnitzer FC: Zuhause endlich wieder punkten - 6. October 2017
- Was du über die Sportwetten-Lizenz und Wettsteuer wissen solltest - 30. June 2017
- Starker EM-Auftritt der U21 – auch dank Studenten - 24. June 2017